Netzwerk „Barrierefreies Oberösterreich“

(von Mag. Wolfgang Glaser und Ing. Hannes Wiesinger)

Bezüglich der drohenden Einsparungen beim barrierefreien Wohnbau in OÖ hat das Netzwerk „Barrierefreies OÖ“ einiges bewegen können. In den letzten Monaten wurden der barrierefreie Wohnbau in OÖ in den Medien mehrmals thematisiert. Darüber hinaus hat das Netzwerk „Barrierefreies OÖ“ einen offenen Dialog mit der Politik und der zuständigen Beamtenschaft geführt, um sie auf die Auswirkungen geplanter Einsparungen beim barrierefreien Wohnbau aufmerksam zu machen.

Als wichtige positive Auswirkung der Aktivitäten des Netzwerkes „Barrierefreies OÖ“, ist nun im aktuellen Entwurf des Oö. Bautechnikgesetzes vorgesehen, dass in Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen die Wohnungen so zu planen und auszuführen sind, dass sie gegebenenfalls mit minimalem Aufwand barrierefrei ausgestattet werden können (anpassbarer Wohnbau). Wer allerdings im Bedarfsfall die Adaptierungskosten übernimmt, bleibt unklar. Jubelmeldungen einzelner politischer Parteien, wie sie in den Medien zu lesen waren, dass es mit der Barrierefreiheit in OÖ nun zum Besten stehe, sind jedoch nicht gerechtfertigt.

So wurde leider die Forderung des Netzwerkes, der Einbau eines Aufzuges bei Wohnhäusern mit mehr als 2 Geschossen über dem Erdboden verpflichtend vorzuschreiben (wie in der ÖIB Richtlinie 4 vorgesehen*) nicht berücksichtigt, sondern die Verpflichtung wurde unverändert bei mehr als 3 Geschossen über dem Erdboden belassen.

*) Anm.: Die Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik (ÖIB) „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ ist eine bundesweite Richtlinie und sieht den Einbau eines Liftes in Gebäuden mit mehr als 2 Geschossen über dem Erdboden vor. Im neuen Oö. Bautechnikgesetz wird zwar die ÖIB Richtlinie 4 generell übernommen, allerdings ohne die Bestimmungen über den Lifteinbau.

Darüber hinaus gibt es folgende Punkte in der Regierungsvorlage des Oö. Bautechnikgesetzes 2012 bzw. dem Begutachtungsentwurf zur Oö. Bautechnikverordnung 2013 (Stand 11.10.2012), die eine Verschlechterung der Barrierefreheit bedeuten:

  • Rampen innerhalb von Gebäuden dürfen 10 Prozent Steigung haben. Dass sind 4 Prozent mehr als es bisher vorgeschrieben war. Das Menschen, die auf die Benützung von Rampen angewiesen sind, hier Gefahr laufen, einen Unfall zu erleiden wird aus Kostengründen ignoriert.
  • Bei Treppen in Wohngebäuden, in denen ein Personenaufzug vorhanden ist. soll es in Zukunft nur mehr einen Handlauf statt zwei Handläufen geben. Diese Einsparung stellt ein enormes Sicherheitsrisiko für die BewohnerInnen solcher Wohngebäude dar, insbesondere wenn der Aufzug defekt ist oder bei Bränden, bei dem der einzige Fluchtweg über die Treppen verläuft.
  • Bewegungsflächen vor Türen gem. ÖNORM B1600 („Planungsgrundsätze für das Barrierefreie Bauen“) können in Wohnungen künftig entfallen, wenn „Leerverrohrungen für den nachträglichen Einbau von elektrischen Türöffnern“ eingebaut werden. Wer allerdings im Bedarfsfall die Adaptierungskosten übernimmt, bleibt auch hier unklar.
  • Gastgewerbebetriebe mit weniger als 26 Verabreichungsplätzen müssen künftig nicht barrierefrei ausgeführt werden.
  • Sonstige Bauwerke, die allgemein zugänglich und für mindestens 50 Besucherinnen und Besucher oder Kundinnen und Kunden ausgelegt sind, brauchen künftig nicht mehr barrierefrei ausgeführt werden. Die geplanten Verschlechterungen beim barrierefreien Wohnbau entsprechen nicht den Richtlinien des Österreichischen Institutes für Bautechnik OIB, die von den Bundesländern eigentlich umzusetzen wären.

Die Einsparungen auf Kosten der Barrierefreiheit werden von politischer Seite dadurch begründet, dass der Wohnbau in OÖ auch für finanzschwache jüngere Menschen leistbar bleiben muss. Dabei wird vergessen, dass gerade jüngere Familien mit Kleinkindern erheblich von Barrierefreiheit profitieren.

Auch die Behauptung barrierefreier Wohnbau sei von vorneherein teuer, entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich liegt das Einsparungspotential im Bereich der Barrierefreiheit lediglich unter 1 Prozent der Gesamtbaukosten.

Was jedoch erheblich ist, ist der Schaden, den die Politik mit ihrer Argumentation und dem Versuch, verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, im öffentlichen Bewusstsein anrichtet: Es ist an der Zeit, dass in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass Barrierefreiheit die Lebensqualität aller Menschen steigert und nicht nur behinderte Menschen von Barrierefreiheit profitieren.

Das Netzwerk „Barrierefreies Oberösterreich“ wird jedenfalls unermüdlich für den barrierefreien Wohnbau weiterkämpfen. Ende November wird das Netzwerk noch eine Pressekonferenz geben, um die Öffentlichkeit über die drohenden Verschlechterungen der Barrierefreiheit in OÖ zu alarmieren und die kompromisslose Übernahme der Richtlinien des Österreichischen Institutes für Bautechnik (OIB) im Oö. Bautechnikgesetz einfordern. Beschlossen werden soll das neue Oö. Bautechnikgesetz voraussichtlich bereits im Dezember 2012.

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung und die Aktivitäten des Netzwerkes am Laufenden halten.

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