Dezember 1998, RA 139: Mag. Wolfgang Glaser zum §29b-Ausweis

In der Dezembernummer erschien wieder einmal ein aktueller Statusbericht zum „Parkplatzthema“, den wir hier auszugsweise wiedergeben.

Wie Sie bestimmt aus früheren Ausgaben von „Rollstuhl Aktiv“ und wahrscheinlich auch aus eigener Erfahrung wissen, finden immer weniger Rollstuhlfahrer bei Bedarf einen Behindertenparkplatz, weil es inzwischen enorm viele Inhaber eines §29b-Ausweises gibt, die nicht einmal eine Gehhilfe brauchen und beim Ein- und Aussteigen auch mit einem normalen Parkplatz auskommen würden. Dies hat den VQÖ zu der Forderung bewogen, dass es in Zukunft zwei verschiedene §29b-Ausweise geben soll.

Viele unserer Leser werden sich nun sicher fragen, was der VQÖ inzwischen in dieser Angelegenheit unternommen hat: Zunächst haben wir im Juli 1998 einen Brief mit folgendem Inhalt an sämtliche Behinderten- und Verkehrssprecher sowie an den Verkehrsminister geschrieben.

Rollstuhlfahrende Autofahrer/Innen sind im Straßenverkehr zunehmend mit einem gravierenden Problem konfrontiert: Insbesondere im städtischen Gebiet findet man als Betroffener kaum einen geeigneten Parkplatz. Normale Parkplätze können von Rollstuhlfahrern in der Regel nicht verwendet werden, da sie zu schmal sind, um die Türe zum Ein- und Ausladen des Rollstuhl ganz öffnen zu können. So müssen parkplatzsuchende Rollstuhlfahrer oft verzweifelt an freien Normal-Parkplätzen vorbeifahren, während die wenigen vorhandenen Behindertenparkplätze bereits belegt sind.

Der Missstand, dass zu wenig freie Behindertenparkplätze vorhanden sind, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Behinderten-Ausweise nach §29b StVO auch an jene behinderten Personen ausgegeben werden, die beim Ein- und Aussteigen gar keinen extrabreiten Parkplatz benötigen würden.

Diese Behindertenparkplatzproblematik hat uns als Verband der Querschnittgelähmten Österreichs, der auch die Interessen der rollstuhlfahrenden Autofahrer vertritt, bewogen, nach einer Lösung zu suchen und folgenden Vorschlag zu machen:

Außer der Tatsache, dass die Vergabe des §29b-Ausweises nach strengeren Kriterien (Vergabe nur bei schwerwiegenden Gehbehinderungen) erfolgen müsste, sollten Behindertenparkplätze nur mehr von jenen Personen verwendet werden dürfen, die nachweislich beim Ein- und Aussteigen einen Seitenabstand benötigen, der mehr als die gänzlich geöffnete Ausstiegstürbreite erfordert.

Um dies verwirklichen zu können, schlägt der Verband der Querschnittgelähmten Österreichs vor, dass es zwei unterschiedliche Kategorien von §29b-Ausweisen geben soll: Einen §29b-Ausweis ausschließlich für jene behinderten Autofahrer, die beim Ein- und Aussteigen nachweislich einen extrabreiten Behindertenparkplatz benötigen und einen anderen §29b-Ausweis für jene Autofahrer, die zwar auch gehbehindert sind, aber auch auf einem Normal-Parkplatz das Auslangen finden. Dadurch ist gewährleistet, dass Behindertenparkplätze ausschließlich von jenen Personen in Anspruch genommen werden können, die sie auch wirklich benötigen.

Die Unterschiedlichkeit der beiden §29b-Ausweise könnte durch unterschiedliche Farben oder durch einen Zusatzvermerk auf bestehende Ausweise verdeutlicht werden, damit die Kontrollorgane die Berechtigung der Inanspruchnahme eines extrabreiten Behindertenparkplatzes besser kontrollieren können.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Behindertenparkplatzproblematik besonders in den städtischen Gebieten immer mehr vehement verschlimmert, ersuchen wir Sie, das Anliegen des Verbandes der Querschnittgelähmten dahingehend zu unterstützen, indem Sie sobald wie möglich eine Erweiterung des bestehenden §29b StVO und §43 Abs.1 StVO anregen. In dieser Erweiterung des §29b und des §43 Abs. StVO soll festgehalten werden, dass es zwei unterschiedliche Behindertenparkausweise gibt, wobei nur jene behinderten Personen, die laut ärztlichem Attest zum Ein- und Aussteigen einen extrabreiten Parkplatz benötigen, auch einen entsprechenden Ausweis bekommen, der zum Parken auf einem Behindertenparkplatz berechtigt. Dieses System könnte später eventuell der EU auch als Vorbild für eine europaweite Lösung dieser Problematik dienen.

Wir ersuchen Sie, uns so bald wie möglich eine Stellungnahme abzugeben, ob Sie bereit sind, uns in dieser Angelegenheit zu unterstützen.

 

Die Reaktionen auf diesen Brief waren bisher sehr unterschiedlich. Während die Grünen und Liberalen uns ihre Unterstützung in dieser Angelegenheit nach Erhalt des Briefes sofort zusagten, erforderte es bei der FP und ÖVP noch einige Überzeugungsarbeit im persönlichen Gespräch, bis das notwendige Verständnis und Entgegenkommen für unseren Lösungsvorschlag geweckt werden konnte. Negative bis keine Reaktion erhielten wir bisher nur von der SPÖ. Hier muss noch intensive Überzeugungsarbeit geleistet werden. Vor allem ein persönliches Gespräch mit dem Verkehrsminister Dr. Einem wird notwendig sein.

Was uns vor allem verwundert hat, war die Tatsache, dass auch die verantwortlichen Entscheidungsträger von ARBÖ und ÖAMTC, denen wir ebenfalls schrieben, eher verständnislos gegenüber unseren Forderungen reagierten.

Als nächster Schritt werden Gespräche mit der ÖAR und dem ÖZIV geführt werden, da ein gemeinsames Vorgehen in dieser Sache die Chance auf Durchsetzung unserer Forderung wesentlich erhöhen würde.

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