Dezember 2014, RA 203: Ergebnis des Arbeitskreises zum Thema §29b

Endfassung der Vorschläge des Arbeitskreises „§29b-Ausweis“zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik in Österreich und Antrag auf Beschlussfassung an den ÖZIV

In der Sitzung des Bundesvorstandes des ÖZIV vom 25.4. 2014 wurde auf Antrag des Verbandes der Querschnittgelähmten Österreichs einstimmig beschlossen, dass ein Arbeitskreis gebildet wird, der die Aufgabe hat, tragfähige Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die dazu beitragen sollen, dass mobilitätseingeschränkte Menschen mit Behinderung auch in Zukunft die Chance haben, bei Bedarf einen geeigneten Parkplatz zu finden, der ihren Bedürfnissen entspricht.

Bei der Sitzung des Arbeitskreises „§29b- Ausweis“ am 19. August 2014 in Linz wurden Lösungsvorschläge ausgearbeitet, die am 6. September 2014 an den Bundesvorstand des ÖZIV zur Diskussion weitergeleitet wurden. Bei der Sitzung des Bundesvorstandes des ÖZIV vom 6. September 2014 wurde beschlossen, dass der ÖZIV grundsätzlich die vom Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ vorgeschlagene Richtung zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik unterstützt. Es wurde auch beschlossen, dass bis 22. 9. alle Mitglieder des Bundesvorstandes des ÖZIV Fragen, Anregungen und Stellungnahmen zu den eingebrachten Vorschlägen des Arbeitskreises „§29b-Ausweis“ beim ÖZIV-Sekretariat einbringen können. Diese Frist wurde wegen des verzögerten Protokolls der Sitzung des ÖZIV-Bundesvorstandes bis zum 29.9. verlängert. Die eingebrachten Fragen, Anregungen und Stellungnahmen aus den verschiedenen Bundesländern sollten dann an den Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet werden.

Bis zum Ablauf der Frist am 29.9. hatte nur der Obmann des VQÖ Manfred Schweizer reagiert. Am 8.10. schrieb der ÖZIV Burgenland noch eine Stellungnahme.

Warum es nicht mehr Fragen, Anregungen oder Stellungnahmen seitens der Mitglieder des ÖZIV-Bundesvorstandes gab, ist unklar. Das Ausbleiben von Fragen, Anregungen oder Stellungnahmen kann entweder als stillschweigende Zustimmung zu den erarbeiteten Vorschlägen des Arbeitskreises „§29b-Ausweis“ interpretiert werden oder als ein Zeichen der Gleichgültigkeit oder des fehlenden Interesses zu diesem Thema. Da der Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ eine positive Grundeinstellung hat, geht er davon aus, dass ersteres zutrifft und der Mangel an Reaktion als eine stillschweigende Zustimmung betrachtet werden kann.

Die Reaktion des Obmannes des VQÖ Manfred Schweizer wurde per e-mail beantwortet. Die Stellungnahme des ÖZIV Burgenland hat aufgezeigt, dass es selbst innerhalb des ÖZIV noch viele Missverständnisse bezüglich des Themas Parkausweis aufzuklären gilt und offensichtlich auch noch einiges an Bewusstseinsarbeit zum besseren Verständnis notwendig ist. Eine ausführliche Beantwortung mit der Stellungnahme des ÖZIV Burgenland seitens des Arbeitskreises „§29b-Ausweis“ findet sich im Anschluss.

Der Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ hat alle eingelangten Fragen, Anregungen und Stellungnahmen beantwortet und kommt nach reiflicher Überlegung hinsichtlich seiner Vorschläge zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik zu folgender Endfassung:

Durch die letzte Novelle der Straßenverkehrsordnung ist es zu einer enormen Ausweitung des Personenkreises gekommen, der berechtigt ist, einen Parkausweis für Behindertenparkplätze zu erhalten.

Haben bisher nur Menschen mit einer Gehbehinderung einen Behindertenparkplatz- Ausweis gemäß §29b erhalten, können seit Jänner 2014 alle Menschen mit Behinderung diesen Ausweis vom Bundessozialamt bekommen, wenn sie im Behindertenpass die Eintragung „Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar“ erhalten.

Dies hat zur Folge, dass immer mehr Menschen, die behinderungsbedingt auf einen breiten Behindertenparkplatz angewiesen sind, im Bedarfsfall keinen freien Behindertenparkplatz mehr finden, da die Zahl der AusweisinhaberInnen und die vorhandene Zahl von Behindertenparkplätzen in keiner vernünftigen Relation mehr zueinander stehen. Die mit dem latenten Mangel an Behindertenparkplätzen verbundenen Probleme werden sich dadurch vehement verschärfen. Der Städtebund schätzt, dass es durch die Ausweitung des berechtigten Personenkreises, zur Ausstellung von etwa 60.000 zusätzlichen Behindertenparkplatzausweisen kommt.

In keinem anderen Land der Welt gib es einen solch weitgefassten Personenkreis, dem das Recht auf einen Behindertenparkplatz zu parken durch den Erhalt einen Parkausweis zugesprochen wird, wie in Österreich.

Die Behindertenparkplatzproblematik alleine durch die Schaffung zusätzlicher Behindertenparkplätze und stärkere Kontrollen lösen zu können, ist nicht realistisch, weil ja vor allem im städtischen Raum oft schon sogar ein Mangel an „normalen Parkplätzen“ vorhanden ist.

Da es Menschen mit Behinderung gibt, die auch mit normalen Parkplätzen problemlos das Auslangen finden würden, ist es vernünftig, die Behindertenparkplatzproblematik dadurch zu entschärfen, dass es in Zukunft zwei unterschiedliche Kategorien von Parkausweisen für Menschen mit Behinderung geben soll, die den jeweiligen Bedürfnissen der AusweisinhaberInnen entsprechen.

Eine solche Lösung ist nichts Außergewöhnliches. In Deutschland beispielsweise löst man die Behindertenparkplatzproblematik, indem man nur mit bestimmten Behinderungsformen den blauen EU-Parkausweis bekommt. Jene Menschen mit Behinderung, die in Deutschland nicht berechtigt sind, diesen blauen EU-Parkausweis zu erhalten, bekommen aber unter bestimmten Voraussetzungen einen orangenen Parkausweis, der verschiedene Parkerleichterungen bietet, außer der Berechtigung auf einem Behindertenparkplatz zu parken. Eine solche Lösung hat nichts damit zu tun, dass man dadurch bevorzugte oder benachteiligte oder verschieden Klassen von Menschen mit Behinderung schafft, sondern nur damit, dass alle Menschen mit Behinderung jene Parkerleichterungen erhalten, die sie gemäß ihren jeweiligen Bedürfnissen wirklich brauchen. Niemand braucht hier also Angst haben, dass einem etwas genommen wird, worauf man angewiesen ist.

Der Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ hat daher folgende Vorschläge zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik ausgearbeitet, die hiermit dem Bundesvorstand des ÖZIV zur Beschlussfassung vorgelegt werden:

– Die Behindertenparkplatzproblematik wäre gut lösbar, wenn zwei unterschiedliche Kategorien von Parkausweisen geschaffen werden und zwar Parkausweise, die berechtigen auf einem Behindertenparkplatz zu parken und Parkausweise, die berechtigen alle mit dem Ausweis verbundenen Parkerleichterungen und Rechte zu nutzen, außer dem Parken auf einem Behindertenparkplatz.

– Der Arbeitskreis hat sich darüber geeinigt, dass für Österreich eine Lösung der Kategorisierung von Parkausweisen gefunden werden soll, die möglichst einfach zu handhaben und zu verwalten ist.

– Welche AusweisinhaberInnen berechtigt sind, auf einem Behindertenparkplatz zu parken und welche AusweisinhaberInnen Parkerleichterungen auf normalen Parkplätzen nützen können, soll durch fälschungssichere Aufkleber (Vignetten) in zwei unterschiedlichen Farben auf dem derzeit EU-einheitlichen Parkausweis ersichtlich sein (z.B. blau für AusweisinhaberInnen, die damit auf Behindertenparkplätzen parken können und rot für AusweisinhaberInnen, die damit auf normalen Parkplätzen Parkerleichterungen nutzen können). Dieser fälschungssichere Aufkleber soll auf der Vorderseite des Parkausweises platziert sein.

– Durch die Anbringung von fälschungssicheren Aufklebern macht man den Parkausweis insgesamt fälschungssicherer.

– Um den Missbrauch von Parkausweisen einzuschränken, sollen die fälschungssicheren Aufkleber an einem bestimmten Stichtag jedes Jahr wie bei Autobahnvignetten ihre Gültigkeit verlieren. Das Ablaufdatum für die Gültigkeit wäre somit bei allen Aufklebern gleich, unabhängig davon, wann sie ausgestellt wurden, und würde die Verwaltung dieser Lösung in der Praxis für das Sozialministeriumservice erleichtern. Das Ablaufdatum der fälschungssicheren Aufkleber soll wie bei einer Autobahnvignette am Aufkleber ersichtlich sein.

– Zeitgerecht spätestens 2 Monate vor Ablauf der Gültigkeit der fälschungssicheren Aufkleber soll vom Sozialministeriumservice wie bei den Autobahnvignetten ein Formular an die AusweisinhaberInnen gesendet werden mit dem Hinweis, dass der Aufkleber mit dem Datum zu erneuern sei. Wer das Formular ausgefüllt und unterschrieben an das Sozialministeriumservice zurücksendet, bekommt dann einen neuen gültigen Aufkleber vom Sozialministeriumservice geschickt.

– Die Benützung von fälschungssicheren Aufklebern für den Parkausweis soll bis zu 2 Monate nach Ablauf der Gültigkeit noch möglich sein, damit genug Zeit ist bei etwaigen Problem oder Verzögerungen.

– Jede Person, die einen §29b-Ausweis erhält, soll ein Informationsblatt erhalten, in dem in möglichst leicht verständlicher Weise die Rechte und Pflichten, die mit dem Ausweis verbunden sind, dargestellt werden. Dieses Informationsblatt soll nicht nur einen reinen Text enthalten, sondern auch optisch mit Grafiken oder Fotos gut veranschaulichen, was man mit dem Ausweis alles tun darf und was nicht.

– Der Arbeitskreis ist sich darüber einig, dass die Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ als Voraussetzung für den Erhalt eines Parkausweises keinen Sinn macht und aus folgenden Gründen abzulehnen ist:

  1. a) Erstens passt es überhaupt nicht zusammen, dass einerseits öffentliche Verkehrsmittel immer mehr für alle Menschen barrierefrei zugänglich gemacht werden sollen und dies auch im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung tatsächlich auch schrittweise in Österreich umgesetzt wird und andererseits jedoch die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel aber die Voraussetzung dafür sein soll, dass man einen Parkausweis erhält.
  2. b) Zweitens kann es nicht im Sinne von Chancengleichheit und Gleichberechtigung sein, wenn der Erhalt eines Parkausweises für Menschen mit Behinderung an die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ gekoppelt ist. Ein nichtbehinderter Mensch, der einen Führerschein hat und sich ein Auto leisten kann oder jemanden hat, der ihn in einem Auto befördert, kann sich nämlich auch selbst entscheiden, ob er mit dem Auto fährt oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren möchte. Dies sollte auch für Menschen mit Behinderung so sein. Die Eintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ als Voraussetzung für den Erhalt eines Parkausweises für Menschen mit Behinderung entspricht demnach in keinster Weise den Grundsätzen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung.
  3. c) Drittens wenn für einen Menschen mit Behinderung die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass deswegen die Notwendigkeit gegeben ist, auf einem Behindertenparkplatz zu parken.

– Ausschlaggebend für die Vergabe eines Parkausweises sollte daher lediglich das Vorliegen einer erheblichen dauerhaften Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung sein und nicht die Unzumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

– Die Berechtigung auf einem Behindertenparkplatz zu parken, sollen nur jene Menschen mit Behinderung erhalten, die beim Ein- und Aussteigen behinderungsbedingt einen erhöhten Platzbedarf haben (wie z.B. Rollstuhlfahrer) und/oder behinderungsbedingt nur kurze Wegstrecken zurücklegen können. Eine Auflistung von Behinderungsformen und Krankheitsdiagnosen zu erstellen, bei denen ein erhöhter Platzbedarf beim Ein- und Aussteigen gegeben ist und/oder mit denen nur kurze Wegstrecken zurückgelegt werden können, erscheint dem Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ nicht sinnvoll, da durch eine solche Auflistung immer die Gefahr besteht, dass eine unzureichende Kategorisierung erfolgt. Ob behinderungsbedingt ein erhöhter Platzbedarf beim Ein- und Aussteigen besteht oder behinderungsbedingt nur kurze Wegstrecken zurückgelegt werden können, soll daher in jedem Fall individuell von den zuständigen Gutachtern des Sozialministeriumservices geprüft und beurteilt werden.

– All jene Menschen mit Behinderung, die nach der derzeitig gültigen Regelung berechtigt sind, einen Parkausweis zu erhalten, die jedoch weder beim Ein- und Aussteigen einen erhöhten Platzbedarf haben und/oder auch trotz Behinderung längere Wegstrecken (mehr als 300 m) zurücklegen können, bekommen auf ihrem Parkausweis den fälschungssicheren Aufkleber, der alle mit dem Parkausweis verbundenen Parkerleichterungen und Rechte bietet (z.B. gebührenbefreites Parken auf Kurzparkzonen, kostenlose Autobahnvignette, etc.), außer dem Parken auf Behindertenparkplätzen. Dies bedeutet, dass in diese Kategorie folgende Menschen mit Behinderung fallen:

Menschen mit Behinderung, die beim Ein- und Aussteigen keinen erhöhten Platzbedarf haben oder fähig sind, längere Wegstrecken (über 300 m) zu Fuß zurückzulegen, aber

– erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

– oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit

– oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen

– oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems

– oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit haben.

– Es ist nicht nachvollziehbar, warum man das 36. Lebensmonat vollendet haben muss, um einen Parkausweis bekommen zu können. Schließlich kann für einen Mensch mit Behinderung bereits nach der Geburt eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung vorliegen, wenn z.B. ein behinderungsbedingter Einsatz von Hilfsmittel notwendig ist, der eine Nutzung eines Behindertenparkplatzes notwendig macht. Der Erhalt eines Parkausweises soll daher schon ab Geburt möglich sein.

Der Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ beantragt hiermit, dass Bundesvorstand des ÖZIV die hier vorgeschlagenen Vorschläge zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik beschließt und entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung dieser Vorschläge einleitet.

Es wird ersucht, dass mit der Beschlussfassung über die Vorschläge des Arbeitskreises „§29b-Ausweis“ zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik nicht bis zur nächsten Sitzung des ÖZIV-Bundesvorstandes im April 2015 abgewartet wird, sondern dass eine Abstimmung darüber mit allen Mitgliedern des ÖZIV-Bundesvorstandes bis spätestens 31. Dezember 2014 per e-mail erfolgt, damit nicht weitere wertvolle Zeit in dieser Angelegenheit verloren geht.

Sofern die hier vom Arbeitskreis „§29b- Ausweis“ ausgearbeiteten Vorschläge vom Bundesvorstand des ÖZIV beschlossen werden, sind diese Vorschläge umgehend auch an die ÖAR heranzutragen und Maßnahmen zur Umsetzung der eingebrachten Vorschläge zu setzen.

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