Dezember 2014, RA 203: ÖZIV Burgenland zur §29b-Problematik

Stellungnahme des ÖZIV Burgenland zu den Vorschlägen des Arbeitskreises §29b-Ausweis In einer Stellungnahme des ÖZIV Burgenland von Dr. Würrer, der den vom Arbeitskreis erarbeiteten Vorschläge grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, heißt es auszugweise:

„Die Bedenken gegen die angestrebten Maßnahmen sind mit dem Verdacht der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes behaftet…“

„…Es mag durchaus sein, dass die Schaffung weiterer Behindertenparkplätze nicht die Lösung aller in dem Zusammenhang vorkommenden Probleme darstellt, eine wesentliche Entschärfung der Diskussion im Sinne von „Neidergemeinschaften“ wäre jedenfalls sehr rasch die Folge. Ebenso würde man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, Behinderte zweier Klassen zu schaffen.“ „…Es wäre daher durchaus eine notwendige und sinnvolle Maßnahme von Bund, Ländern und Gemeinden, die vorhandenen Behindertenparkplätze in sinnvoller Weise auszuweiten und auch die korrekte Benützung bzw. den Missbrauch durch Nichtberechtigte entsprechend zu kontrollieren. Alleine die bessere Kontrolle würde bereits jetzt, bei bestehender Rechtslage, eine wesentliche Verbesserung mit sich bringen.

Die in der VO des BM ersichtliche Erklärung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel scheint mir durchaus ausreichend und auch praktikabel zu sein. Die Unzumutbarkeit der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel als Voraussetzung zur Erreichung von Ausweisen nach §29b steht dem in keiner Weise entgegen – auch, und vor allem nicht die damit verbundene Berechtigung zum Parken auf Behindertenparkplätzen. Die vorgeschlagene Differenzierung von Parkberechtigungen samt andersfarbigen Ausweisen ist als Stigmatisierung und sachlich ungerechtfertigte Differenzierung abzulehnen: geht doch der rechtspolitische Grund der Parkerlaubnis weit darüber hinaus, lediglich Gehbehinderten eine Erleichterung zu gewähren. Eine Vielzahl anderer Behinderungen ist denkbar, die jenen Menschen die Teilnahme am öffentlichen Leben erleichtert, in manchen Fällen sogar erst ermöglicht. Ein Abgehen vom Junktim „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ und der Erlangung von Parkausweisen und damit verbundenen Parkberechtigungen wäre daher meines Erachtens ein Rückschritt in der Behindertenpolitik.“

Der Arbeitskreis zum „§29b-Ausweis“ antwortete dem ÖZIV Burgenland auf seine Stellungnahme folgendes

Sehr geehrter Herr Dr. Würrer!

Zunächst möchten wir uns bei Ihnen für Ihre Stellungnahme zu den Vorschlägen des Arbeitskreises §29-b-Ausweis bedanken. Nur wenige ÖZIV-Vertreter haben sich die Mühe gemacht, eine solche Stellungnahme zu schreiben. Auch wenn unsere Vorschläge offensichtlich nicht auf Ihr Wohlwollen und auf Ihr Verständnis stoßen, so sind wir doch dankbar dafür, denn Ihre Stellungnahme zeigt auf, dass es hier wohl doch noch einige vorhandene Missverständnisse aufzuklären gilt und Bewusstseinsarbeit selbst im ÖZIV notwendig ist, damit verstanden wird, warum es dringend eine Reform der jetzigen Regelungen um den §29b-Ausweis braucht und warum die Vorschläge des Arbeitskreises gut durchdachte und bedürfnisgerechte Lösungen der §29b-Ausweis- Problematik bieten.

Wir möchten Ihnen nun gerne näher bringen, warum unsere Lösungsvorschläge gut geeignet sind, die Behindertenparkplatzproblematik zu lösen und zu Ihren Argumenten Stellung beziehen:

Durch die letzte Novelle der Straßenverkehrsordnung ist es zu einer enormen Ausweitung des Personenkreises gekommen, der berechtigt ist, einen Parkausweis für Behindertenparkplätze zu erhalten.

Haben bisher nur Menschen mit einer Gehbehinderung einen Behindertenparkplatz- Ausweis gemäß §29b erhalten, können seit Jänner 2014 alle Menschen mit Behinderung diesen Ausweis vom Bundessozialamt bekommen, wenn sie im Behindertenpass die Eintragung „Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar“ erhalten.

Dies hat zur Folge, dass immer mehr Menschen, die behinderungsbedingt auf einen breiten Behindertenparkplatz angewiesen sind, im Bedarfsfall keinen freien Behindertenparkplatz mehr finden, da die Zahl der AusweisinhaberInnen und die vorhandene Zahl von Behindertenparkplätzen in keiner vernünftigen Relation mehr zueinander stehen. Die mit dem latenten Mangel an Behindertenparkplätzen verbundenen Probleme werden sich dadurch vehement verschärfen. Der Städtebund schätzt, dass es durch die Ausweitung des berechtigten Personenkreises, zur Ausstellung von etwa 60.000 zusätzlichen Behindertenparkplatzausweisen kommt.

Die Behindertenparkplatzproblematik bei dieser explosionsartigen Vermehrung der AusweisinhaberInnen alleine durch die Schaffung zusätzlicher Behindertenparkplätze und stärkere Kontrollen lösen zu können, ist nicht realistisch, weil ja vor allem im städtischen Raum oft schon sogar ein Mangel an „normalen Parkplätzen“ vorhanden ist.

Da es Menschen mit Behinderung gibt, denen zwar die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, die aber mit normal breiten Parkplätzen problemlos das Auslangen finden würden, ist es vernünftig, die Behindertenparkplatzproblematik dadurch zu entschärfen, dass es in Zukunft zwei unterschiedliche Kategorien von Parkausweisen für Menschen mit Behinderung geben soll, die den jeweiligen Bedürfnissen der AusweisinhaberInnen entsprechen.

Eine Kategorie für jene, die behinderungsbedingt auf die besondere Breite eines Behindertenparkplatzes angewiesen sind und eine Kategorie für jene, die auch mit einem normalen Parkplatz das Auslangen finden und alle anderen mit dem Ausweis verbundenen Rechte nutzen können, außer der Berechtigung auf einem Behindertenparkplatz zu parken. Ein solcher Vorschlag ist nicht außergewöhnlich. Auch in Deutschland beispielsweise löst man die Behindertenparkplatzproblematik durch unterschiedliche Kategorien von Parkausweisen.

Ein falsch verstandener Gleichheitsgrundsatz hat bei der Vergabe von Parkausweisen für Menschen mit Behinderung nichts verloren. Für unterschiedliche Menschen mit Behinderung bestehen nämlich beim Parken unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche Notwendigkeiten. Hier zu sagen, alle Menschen mit Behinderung müssen auf Behindertenparkplätzen parken dürfen, weil jede andere Lösung nicht dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen würde, ist genauso unsinnig als ob man sagen würde, alle Menschen, die eine Gehbeeinträchtigung haben, müssen einen Elektrorollstuhl bekommen, weil nur das dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen würde. Vielmehr aber ist es doch so, dass manche Menschen mit Gehbeeinträchtigung nur Gehhilfen brauchen, manche Menschen einen handbetriebenen Rollstuhl und manche Menschen einen Rollstuhl mit Elektro-Antrieb. Und genauso ist es bei Parkausweisen. Manche Menschen sind behinderungsbedingt auf einen Behindertenparkplatz angewiesen und manche Menschen mit Behinderung finden mit anderen Parkerleichterungen das Auslangen und diesem Umstand ist entsprechend Rechnung zu tragen. Es geht hier nicht darum, dass alle Menschen das gleiche bekommen müssen, sondern darum, dass alle Menschen das bekommen, was sie wirklich behinderungsbedingt benötigen.

Ihre Behauptung, den Vorschlägen des Arbeitskreises zum §29-b-Ausweis „seien keine erkennbaren sachlichen Differenzierungen zu entnehmen, die derart unterschiedliche Lösungen im Sinne von Gleichbehandlung rechtfertigen würden“ entbehrt daher jegliche Grundlage.

Wer hier von „Neidergemeinschaften“ spricht oder davon, dass die Kategorisierung von Parkausweisen dazu führen würde, dass man zwei Klassen von Menschen mit Behinderung schafft, hat nicht verstanden worum es geht.

Niemand braucht hier das Gefühl haben, benachteiligt zu werden oder Angst haben, dass einem etwas genommen wird, was man unbedingt benötigt.

Je nach unterschiedlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten gibt es beispielsweise auch 7 unterschiedliche Pflegegeldstufen, die ein Mensch mit Behinderung bekommen kann. Bedeutet dies dann auch, dass hier 7 verschiedene Klassen von Menschen mit Behinderung geschaffen werden? Natürlich nicht! Und genauso ist es mit der vorgeschlagenen Kategorisierung der Parplatzausweise für Menschen mit Behinderung. Nur weil unterschiedliche Menschen mit Behinderung mit unterschiedlichen Bedürfnissen unterschiedliche Parkerleichterungen bekommen, bedeutet das noch lange nicht, dass dadurch unterschiedliche Klassen von Menschen mit Behinderung entstehen. Eine solche Sichtweise ist völlig ungerechtfertigt.

Wenn beim Pflegegeld übrigens auch ein falsch verstandener Gleichheitsgrundsatz angewendet werden würde, dann müssten alle Pflegegeldbezieher das gleiche bekommen müssen. So ist es aber nicht und das ist auch für jeden nachvollziehbar, weil jeder Mensch einen unterschiedlichen Pflegebedarf hat. Und jeder Mensch mit Behinderung hat auch unterschiedliche Bedürfnisse betreffend Parkerleichterungen.

Bezüglich ihrer Bedenken, dass es problematisch sei, dass der Arbeitskreis zum §29b-Ausweis entschieden hat, Entscheidungen zumindest mit einer 2/3-Mehrheit zu treffen, da damit Ihrer Meinung nach in manchen Fällen die abweichende Meinung eines Drittels gänzlich unberücksichtigt bliebe, können wir sie beruhigen.

Diese Entscheidung, Entscheidungen des Arbeitskreises nur mit einer 2/3-Mehrheit zu treffen wurde nur deshalb getroffen, um zu gewährleisten, dass die Entscheidungen von einer starken absoluten Mehrheit des Arbeitskreises getragen werden und ich kann Ihnen nur mitteilen, dass es dem Arbeitskreis sogar gelungen ist, sämtliche Entscheidungen über die eingebrachten Vorschläge einstimmig zu beschließen!!! Eine andere Meinung einer Minderheit gab es also im Arbeitskreis gar nicht.

Was die Eintragung „Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel“ Verkehrsmittel als Voraussetzung für den Erhalt eines §29b- Ausweises betrifft, so besteht durchaus ein Widerspruch zur Tatsache, dass öffentliche Verkehrsmittel für Menschen mit Behinderung entsprechend der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung erfreulicher Weise immer zumutbarer werden. Die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel bedingt auch nicht automatisch in allen Fällen immer die Notwendigkeit, auf Parkerleichterungen angewiesen zu sein, warum soll also die Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ die Voraussetzung für den Erhalt eines Parkausweises sein? Eine solche Schlussfolgerung ist eine völlig unzulängliche Verallgemeinerung von Zusammenhängen, die absolut nicht passt. Der Erhalt eines Parkausweises darf eigentlich nur darauf begründet sein, dass man behinderungsbedingt auf eine Parkerleichterung angewiesen ist und nicht lediglich darauf, ob öffentliche Verkehrsmittel für jemand zumutbar sind oder nicht.

In Ihrer Stellungnahme meinen Sie „Ein Abgehen vom Junktim „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ wäre ein Rückschritt in der Behindertenpolitik. Der Arbeitskreis ist jedoch hingegen der Meinung, dass die „Eintragung der Unzumutbarkeit für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ als Bedingung für den Erhalt des Parkausweises auf einer völlig antiquierten Sichtweise beruht.

Ihre Aussage „Die vorgeschlagene Differenzierung von Parkberechtigungen samt anders färbigen Ausweisen ist als Stigmatisierung und sachlich ungerechtfertigte Differenzierung abzulehnen: geht doch der rechtspolitische Grund der Parkerlaubnis weit darüber hinaus, lediglich Gehbehinderten eine Erleichterung zu gewähren. Eine Vielzahl anderer Behinderungen ist denkbar, die jenen Menschen die Teilnahme am öffentlichen Leben erleichtert, in manchen Fällen sogar erst ermöglicht“, zeigt, dass sie die Vorschläge des Arbeitskreises zum §29b-Ausweis offensichtlich nicht gründlich genug gelesen haben.

Erstens ist nämlich in den Vorschlägen gar nicht von andersfärbigen Ausweisen die Rede, sondern von gleichen Ausweisen, die nur durch verschiedenfärbige und fälschungssichere Aufkleber versehen sind und zweitens ist in den Vorschlägen nirgends die Rede davon, lediglich Gehbehinderten Parkerleichterungen zu gewähren, sondern allen Menschen mit Behinderung jene Parkerleichterungen zukommen zu lassen, die sie wirklich brauchen.

Einen Punkt gibt es jedoch, wo wir Ihre Meinung voll und ganz teilen, nämlich dass die Thematik zu diskutieren und einer Entscheidungsfindung zuzuführen ist.

In diesem Sinne hoffen wir, dass der ÖZIV in dieser Angelegenheit bald zu einer Entscheidung kommt, die wirklich zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik beiträgt.

Mit freundlichen Grüßen Für den Arbeitskreis „§29b-Ausweis“ Mag. Wolfgang Glaser, Rudolf Kravanja, Georg Leitinger, Herbert Pichler, Ing. Hannes Wiesinger

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