Juni 2014, RA 201: ORF-Sendung „heute konkret“

Streit um Ausweis für Behindertenparkplätze in der ORF-Sendung „heute konkret“ (von Mag. Wolfgang Glaser)

Haben bisher nur Menschen mit einer Gehbehinderung einen Behindertenparkplatz- Ausweis erhalten, können nach der neuesten Novelle der Straßenverkehrsordnung seit Jänner 2014 auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen diesen Ausweis vom Bundessozialamt bekommen, wenn es ihnen nicht zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Da durch diese Ausweitung die Gefahr besteht, dass Menschen, die behinderungsbedingt wirklich auf die Breite eines Behindertenparkplatzes angewiesen sind, im Bedarfsfall keinen freien Behindertenparkplatz mehr finden, ist unter verschiedenen Behindertenorganisationen ein heftiger Streit um das Thema entbrannt.

Dieser Streit war Thema am 28. März 2014 auf ORF 2 in der Sendung „heute konkret“.

Gesetzgeber hat nicht auf Vertreter der Rollstuhlfahrer gehört

„Ich mache dem Gesetzgeber den Vorwurf die Novelle der Straßenverkehrsordnung beschlossen zu haben, ohne auf die Vertreter der Rollstuhlfahrer zu hören“ meinte der Rollstuhlfahrer Anton Steiner gegenüber dem ORF empört. Er erklärte, sowohl der Verband der Querschnittgelähmten Österreichs als auch der Club Mobil habe sich vor dem Inkrafttreten der Novellierung der Straßenverkehrsordnung explizit gegen eine Ausweitung der Ausweisinhaber für Behindertenparkplätze ausgesprochen.

„Die Novelle haben wir gemacht, um einfacher den Parkausweis bekommen zu können, um auch Verwaltungskosten zu sparen, um eine missbrauchssichere Lösung zu haben und vor allem auch um österreichweit einheitliche Spielregeln zu haben. Ich finde es nicht sehr schön, dass Behinderte unterschiedlicher Behinderung sich hier offensichtlich gegenseitig ausspielen wollen. Ich glaube alle die es brauchen, sollen so einen Ausweis bekommen“, erklärte Martin H. Staudinger vom Sozialministerium im Interview für die Sendung konkret.

40.000 illegale Parkausweise im Umlauf

„Wie viele §29b-Ausweise im Umlauf sind, weiß derzeit niemand. Der Städtebund schätzt, dass derzeit noch etwa 40.000 Ausweise von Verstorbenen illegal in Verwendung sind“ hieß es .in dem Fernsehbeitrag.

„Wenn die alten ungültigen Ausweise endlich aus dem Verkehr gezogen sind, dann wird sich eine gewisse Entspannung auf dem Sektor ergeben, weil dann die missbräuchliche Verwendung der Ausweise zurückgehen wird. Kriegerische Auseinandersetzungen unter verschiedenen Behindertenorganisationen werden sicher nicht der Ausweg sein“, erklärte der Vizepräsident der ÖAR Mag. Michael Svoboda in der Sendung „konkret“.

Streitgespräch zwischen zwei Rollstuhlfahrern.

Im Mittelpunkt des Fernsehbeitrages stand ein Streitgespräch zwischen Hans-Jürgen Groß vom ÖZIV und Anton Steiner vom Verband der Querschnittgelähmten. Dass sich in der Konfrontation um die Berechtigung für den Parkausweis für Menschen mit Behinderung hier zwei Rollstuhlfahrer gegenübersaßen, war ein etwas irritierender Anblick, denn eigentlich müssten ja alle Rollstuhlfahrer ein Interesse daran haben, dass es nicht zu einer inflationären Ausgabe von Behindertenparkplatzausweisen kommt.

Weil jeder Mensch gleich viel zählt?

Hans-Jürgen Groß vertrat bei der Konfrontation die Position jener, die für eine Ausweitung der InhaberInnen für den Behindertenparkplatz- Ausweis sind. „Wer den Eintrag „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ im Behindertenpass hat, der hat auch Anspruch auf den Parkplatz-Ausweis. Weil jeder Mensch gleich viel zählt!“ argumentierte Groß.

Meine Meinung dazu ist, dass dieses Argument nicht stichhaltig ist, denn jeder Mensch zählt aus meiner Sicht gleich viel, unabhängig davon, ob er einen Behindertenparkplatz nutzen darf oder nicht. Dass es aber Menschen mit Behinderung gibt, die behinderungsbedingt auf die besondere Breite eines Behindertenparkplatzes angewiesen sind und andere nicht, ist eine ganz andere Sache. Mit anderen Worten alle Menschen zählen zwar gleich viel, haben aber unterschiedliche Bedürfnisse, denen Rechnung zu tragen ist.

Auch Krebspatienten brauchen Parkausweis?

„Der Eintrag „Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht zumutbar“ bedeutet, dass diese Personen gar keine andere Möglichkeit haben, als mit einem Fahrzeug von A nach B zu kommen und den Parkausweis brauchen sie, um in erster Reihe aussteigen zu können. Denken wir nur daran, wie es ist, wenn man als Mensch mit einer schweren Beeinträchtigung auch noch mit erschwerten Witterungsverhältnissen wie Schnee oder Regen zu kämpfen hat.“ Argumentierte Hans-Jürgen Groß. Als Beispiel führte Groß hier Krebspatienten an, die gerade von einer Chemotherapie kommen.

„Ein Krebspatient kann jeder Zeit bei einem eingangsnahen Parkplatz eines Krankenhauses ein- und aussteigen. Blinde Menschen können das genauso. Der Blindenverband in Salzburg hat vor kurzem sogar freiwillig an seine Mitglieder appelliert, Behindertenparkplätze für andere behinderte Menschen, die auf die Breite des Parkplatzes angewiesen sind, freizulassen.“ konterte Steiner in der Diskussion mit Groß.

Lösung des Problems durch ausreichend neue Behindertenparkplätze möglich?

Die Lösung des Behindertenparkplatzproblems sieht Groß darin, dass ausreichend neue Behindertenparkplätze geschaffen werden, um den steigenden Bedarf decken zu können.

Nach meiner persönlichen Einschätzung ist es allerdings überhaupt nicht realistisch, das Problem der enormen Ausweitung der AusweisinhaberInnen durch ausreichend neue Behindertenparkplätze lösen zu können. Freie Parkplätze sind vor allem im städtischen Bereich schon für nichtbehinderte Menschen oft rar und selten zu ergattern. Wie kann man da erwarten, dass dann auch noch genügend Parkplätze für voraussichtlich 60.000 neue AusweisInhaberInnen geschaffen werden können?

Lösung des Problems durch unterschiedliche Parkausweise

Steiner sieht die Lösung der Behindertenparkplatzproblematik darin, dass auf Behindertenparkplätzen nur jene Personen parken dürfen, die beim Ein- und Aussteigen behinderungsbedingt wirklich auf einen breiten Behindertenparkplatz angewiesen sind.

Wer Anton Steiner kennt, weiß, dass er auch einen konkreten Lösungsvorschlag hätte, der durchaus überlegenswert wäre, nämlich, dass jene die behinderungsbedingt wirklich auf einen breiten Behindertenparkplatz angewiesen sind, eine Zusatzvignette auf den Behindertenparkplatz- Ausweis bekommen.

Leider ist dieser Lösungsvorschlag durch eine Zusatzvignette zwei unterschiedliche Kategorien von Ausweisen zu schaffen, in der Sendung „konkret“ nicht näher diskutiert worden, sondern nur von Hans-Jürgen Groß kurz erwähnt worden, als er meinte: „Die Forderung zwei unterschiedliche Ausweise durch Markierungen oder Vignetten zu schaffen, die kann nicht unterstützt werden.“ Was damit allerdings genau gemeint ist, darüber ließ man die Zuschauer leider im Unklaren.

Die Idee zwei unterschiedliche Kategorien von Behindertenparkplatzausweisen zu schaffen ist übrigens nicht ganz neu. Bereits in den 90er Jahren machte der Verband der Querschnittgelähmten einen derartigen Vorschlag, der jedoch von der ÖAR letzten Endes nicht mitgetragen wurde und daher politisch keine Chance auf Umsetzung hatte.

„Selektionen hatten wir schon mal“

Zum Abschluss der Diskussion meinte Hans-Jürgen Groß: „Eines ist klar: Gegen jede Art der Selektion welcher Art auch immer, müssen wir Behindertenverbände auftreten und sagen Nein, ganz sicher nicht, Selektionen hatten wir schon mal, das wollen wir nicht. Jeder muss den gleichen Anspruch haben und den gleichen Ausweis.“

Mir persönlich war nicht ganz klar, was Herr Groß meinte mit der Aussage „Selektionen hatten wir schon mal.“ Meinte er damit etwa die Selektion, die im Dritten Reich stattfand? Falls ja, wäre das wohl alles andere als passend in diesem Zusammenhang.

Lösungen statt Streitgespräche

Alles in allem wäre es wünschenswert gewesen, der Diskussion im ORF um mögliche Lösungsvorschläge der Behindertenparkplatzproblematik mehr Raum zu geben, statt den Streit um das Thema in den Mittelpunkt zu stellen. Aber Streit scheint wohl höhere Einschaltquoten zu bringen als das Aufzeigen möglicher Lösungen. Wer die Sendung „konkret“ noch im Original sehen möchte, kann dies im Internet bei YouTube.

Deutschland als Vorbild zur Lösung der Behindertenparkplatzproblematik

In Österreich tendiert man oft dazu, sich an Deutschland als Vorbild zu orientieren. Beim Thema Behindertenparkplatzausweis hat man das in Österreich jedoch anscheinend nicht getan. Man hat offensichtlich überhaupt ignoriert, wie andere Länder in Europa mit der Behindertenparkplatzproblematik umgehen. Kaum jemand in Österreich scheint zu wissen, dass es in Deutschland tatsächlich zwei unterschiedliche Kategorien von Behindertenparkplatzausweisen gibt. Den blauen europaweit gültigen Behindertenparkplatzausweis erhält man in Deutschland nur, wenn man einen Schwerstbehindertenausweis mit der Eintragung „außergewöhnlich gehbehindert“ oder „blind“ hat. Andere Menschen mit Behinderung können unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland einen orangenen Ausweis für Parkerleichterungen erhalten, der jedoch nicht das Parken auf einem Behindertenparkplatz erlaubt.

Nähere Informationen über die Regelungen bezüglich Parkausweise für Menschen mit Behinderung in Deutschland findet man unter Informationen zu Behindertenparkplätzen

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