Schon mal was von „Milli Görüs“ gehört?

Schon mal was von „Milli Görüs“ gehört?
(von Heinz Gardavsky)

Milli Görüs ist eine in der Türkei entstandene Bewegung, die eine Alternative zum Sozialismus und Kapitalismus sein sollte. Sie sieht darin den Islam als einen dritten Weg. Sie wollte auch die Türkei in einen totalen islamischen Staat umwandeln. Necmettin Erbakan, der Gründer, hatte auch mehrmals versucht eine eigene Partei ins Leben zu rufen. Sie wurde ebenso verboten wie die Bewegung selbst, weil man ihm umstürzlerische Absichten vorwarf.
Mittlerweile hat Milli Görüs international Fuß gefasst und ist längst dort existent, wo es türkische Einwanderer gibt. Auch erfreut sie sich der Unterstützung von Präsident Erdogan, der selbst ein Zögling dieser Bewegung ist. Er möchte nämlich einen islamistische Block schaffen, der auch in der Regierung verankert werden soll. Sein Ziel ist eine Reislamisierung der Türkei und zugleich den Islam in seine Politik hineinzutragen.

Milli Görüs Jugendzentrumam Sechshausergürtel, Wien, 15. Bezirk
Milli Görüs Jugendzentrumam Sechshausergürtel, Wien, 15. Bezirk

Was interessiert’s mich, wird mancher Leser sagen, die Türkei ist ohnehin weit weg. Spätestens jetzt sollte man wissen, dass in Wien ein islamisches Jugendzentrum am Sechshauser Gürtel im 15. Bezirk eröffnet wurde und seit Jänner aktiv ist. Der Verfassungsschutz wurde eingeschaltet, das Zentrum steht seither unter Beobachtung.
Die ÖVP spricht von einer bisher laschen rot-grünen Integrationspolitik. Wiens Bürgermeister Ludwig spielt den Ball der Regierung und auch der Polizei weiter, denn es gibt in der Bundeshauptstadt keinen eigenen Geheimdienst, sagt er. Anhänger von Milli Görüs sind extrem anti-integrativ, sowohl wirtschaftlich, als auch ideell. Sie haben eine eigene Philosophie, die antidemokrative und antisemitische Züge aufweist. In der Türkei müssen sie mittlerweile keine Angst haben, verboten zu werden, das ist in den EU-Länder anders.
Susanne Schröter, Professorin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, meint, dass es Bestrebungen gibt, in Europa islamische Strukturen aufzubauen. Dadurch erhofft sich Erdogan Zugewinne seiner politischen Macht. Ihm schwebt ein neues Osmanisches Reich vor, das auf ihn eingeschworen ist.
Bei einer vor kurzem abgehaltenen Konferenz in Köln waren viele große islamischen Organisationen, wie zum Beispiel die Moslembruderschaften, eingeladen. Dort hat Präsident Erdogan in einer Rede sein Programm verkündet, nämlich alle diese Organisationen unter türkischer Führung vereinen zu wollen. Was heute noch eine abenteuerliche Vorstellung scheint, kann morgen schon von der Realität eingeholt werden.

Flyer zu Gedenkfeier zum Todesjahr ihres Gründers Necmettin Erbakan
Flyer zu Gedenkfeier zum Todesjahr ihres Gründers Necmettin Erbakan

Am 23. Februar dieses Jahres hätte im Haus der Begegnung in Mariahilf eine Veranstaltung der türkischen Saadet-Partei (deutsch: Partei der Glückseligkeit), die Gedenkfeier zum Todesjahr ihres Gründers Necmettin Erbakan, stattfinden sollen. Von Experten wird diese Organisation für extrem islamistisch, antiwestlich und antisemitisch gehalten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurde auch hier eingeschalten.
Der Islamexperte Amer Albayati kritisierte: „Sowohl die Saadet Partisi, als auch Milli Görüs sind Organisationen die nicht in unsere Regionen passen, für sie ist die Türkei groß genug. Bei uns haben sie nichts zu suchen.“
Leo Kohlbauer von der FPÖ drängte auf Absage dieser islamische Veranstaltung. Daraufhin meldete die Volkshochschule: „Die Veranstaltung des Saadet-Vereins ist abgesagt.“ Der öffentliche Druck hat gewirkt.

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