Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel

Unzumutbar ist nicht der Aufwand, eine (Zug)Reise anzugehen. Unzumutbar ist die Art, wie mit
dem Thema Barrierefreiheit umgegangen wird.

Den meisten wird ja bekannt sein, dass es für einen großen Anteil der Personen mit
Behindertenpass, darunter eben auch mich selbst, den Zusatzeintrag „Unzumutbarkeit
öffentlicher Verkehrsmittel“ gibt. Nun verstehe ich dies so, dass für mich eine Benützung von
öffentlichen Verkehrsmitteln deswegen unzumutbar ist, weil der Aufwand bzw. die Umstände,
Barrieren, etc. sich eben nicht in einem „zumutbaren“ Rahmen befinden. Meiner Ansicht nach
sollte dies aber nicht bedeuten, dass es erst gar nicht möglich ist, diese Verkehrsmittel zu
benützen.
Grundsätzlich fahre ich sehr gerne Zug, speziell für weitere Strecken. Ich erspare mir die
Anstrengung und Kosten einer Fahrt mit dem eigenen PKW, brauche keinen Parkplatz,
minimiere statistisch gesehen das Risiko für einen Zwischenfall und, wenn alles nach Plan läuft
und auch die eventuell benötigten Einstiegshilfen aufgetaucht sind (das ist ein separates Thema),
ist das für mich Entspannung pur. Und meinen Beitrag zur Klimaerwärmung leiste ich dabei noch
dazu. Nun wollte ich für meinen geplanten Urlaub am Gardasee auch diese Variante in Betracht ziehen.
Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass es eine fast perfekte Nightjet-Verbindung mit nur
einem Umstieg bis ganz in die Nähe des Hotels gibt.

©www.nightjet.com

Frohen Mutes rief ich also bei der ÖBB an, und wollte die Verbindung buchen.
Aber: Es gibt kein Rollstuhlabteil! Es gibt nicht einmal die Möglichkeit, überhaupt in den Zug einzusteigen! Und das betrifft nicht nur dieses eine Datum, es ist in dieser Verbindung einfach nicht vorgesehen. Was für eine Enttäuschung.
Leider ist es nicht das erste Mal, dass es mir so ergangen ist. Dies betrifft zwar nicht die ÖBB
bzw. einen österreichischen Betreiber, sondern die Schweizer Bundesbahnen (SBB), die übrigens
gemeinsam mit der ÖBB die Nightjet-Züge betreiben. Die Schweiz wartet mit traumhaft schönen
„Panoramareisen“ per Zug auf, welche in Summe als „Grand Tour of Switzerland“ bekannt sind.
Auch diese Tour wollte ich schon mal bereisen und hier erging es mir genauso. Der Großteil der
Züge ist einfach nicht für Rollstuhlfahrer vorbereitet. Selbst auf meinen Vorschlag hin, die Reise
selbst und auf eigenes Risiko zu organisieren und auch eine geeignete Begleitperson
mitzubringen, wurde mir die Buchung verwehrt. Dies ist umso bedenklicher, als die Schweiz
schon 2014 die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ratifiziert hat, also neun Jahre Zeit
für ein Umschwenken in die richtige Richtung hatte. Es bleibt nur zu hoffen, dass es in einigen
Jahren vielleicht doch möglich sein wird, als Rollstuhlfahrer die „Grand Tour of Switzerland“ zu
erleben.
Für meine Reise zum Gardasee werde ich nun auf das Auto zurückgreifen und mit den Strapazen
leben müssen.
Insgesamt gesehen wurde ich also in den letzten Jahren immer wieder eines Besseren belehrt:
Unzumutbar ist nicht der Aufwand, so eine Reise anzugehen. Unzumutbar ist die Art, wie mit
dem Thema Barrierefreiheit umgegangen wird. Da stellt sich die Frage, was eine Unterschrift
wert ist, die einen Staat laut Artikel 4 der UN-BRK dazu verpflichtet, den Konventionstext – in
diesem speziellen Fall die Barrierefreiheit – Wirklichkeit werden zu lassen.

2 comments on “Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel

  1. Nicht immer nur jammern!
    Ich bin öfter mit dem Zug unterwegs und hatte bis dato keine Probleme. Ob es für meine gewünschte Strecke eine barrierefreie Verbindung gibt, lässt sich online eruieren, dazu bedarf es keines Anrufes.
    Es gibt immer mehr barrierefrei Verbindungen und auch Bahnhöfe und es würde generell mehr von Nutzen sein über Neues zu berichten als zu „sudern und jammern“!
    Das schließt konstruktive Kritik natürlich nicht aus.

    1. Ich würde meinen Beitrag nicht als Jammern bezeichnen. Hier geht es nicht um eine „0815“ Regionalverbindung, welche mittlerweile großteils wirklich gut ausgebaut sind, sondern einer nicht so in regelmäßigen Abständen verkehrende Fernverbindung. wo ich nicht so schnell auf eine Alternative zurückgreifen kann. Und es würde auch einen Unterschied machen, wenn man als Rollstuhlfahrer zumindest einsteigen / mitfahren könnte, aber nicht einmal dies ist hier möglich. Daher muss ich auf das Auto zurückgreifen und was das für mich bedeutet, hab ich im Beitrag erwähnt.

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